Christusteppich von Fritz Griebel (1957) Foto: Albin Oberhofer
Auf den ersten Blick wirkt der Christus-Teppich von Fritz Griebel fast steif. Die Grundstruktur ist symmetrisch – in der Mitte das zentrale Bild umrahmt von kräftigem Rot – an den Seiten die Flügelbilder, die etwas in den Hintergrund treten und zugleich mit ihrer Symbolik die Aussage im Zentrum stützen. Je länger wir den Teppich betrachten, desto lebendiger wird er: neben den vielfältigen Kreuzen fallen die vielen Tiere auf: ein Pfau, 12 Tauben, ein Lamm, ein Fisch und dann viele kleine Sterne und Lebenskreuze.
Die linke Seite: Hier stehen Kreuz und Auferstehung, Anfang und Ende eng zusammen. Das Jerusalem-Kreuz weist auf die Kreuzigung und die Wunden Jesu. Der Pfau steht für die Auferstehung und das ewige Leben. Pfauen werfen im Herbst ihre Schwanzfedern ab. Im Frühjahr erneuert sich ihr Federkleid. Alpha und Omega sind umschlossen von Kreuz und Auferstehung. Gerade erleben wir wie das Kreuz der Corona-Krise sich in der ganzen Welt ausbreitet und viele Menschleben fordert. Aus der Sicht des Glaubens ist das nicht endgültig. Gott wird einen neuen Himmel schaffen und eine neue Erde, in der es kein Leid, kein Geschrei und keinen Schmerz gibt.
In der Mitte sind zwölf Tauben auf das Christuszeichen hin geordnet. Hier nimmt Griebel ein Motiv aus einem Mosaik in Albenga (5. Jahrhundert) auf. Für uns sind die Tauben mehr als nur Stellvertreter der zwölf Apostel. Es kommt die Natur ins Bild. Gemeinsam mit den Sternen ordnet sich der ganze Kosmos. Eine starke Botschaft in unserer einerseits wissenschaftlich so fortgeschrittenen Zeit, in der uns immer mehr bewusst wird, wie sehr wir uns an der Natur vergehen.
Die rechte Seite: Kreuz und Lamm weisen auf das aufopferungsvolle Wirken Jesu. Als Folge sieht Griebel ein wertvolles mit Edelsteinen bestücktes Kreuz, das verbunden ist mit fünf Broten und einem Fisch. Das erinnert an die Speisung der 5000, der Geschichte des wundervollen Teilens, bei der alle satt werden. Es ist erstaunlich, wie viele Menschen in dieser Krisenzeit ihre Hilfe anbieten. Sie achten darauf, ob die Nachbarin was brauchen kann. Sie verbreiten Wissen, Humor und Freude. Sie stellen eine Kerze ins Fenster und beten für Altenpfleger, Krankenschwestern und Ärztinnen, Verkäufer und Lieferanten und alle, die unsere Versorgung am Laufen halten. Sie spielen die Ode an die Freude von den Balkonen und entwickeln fantasievolle Ideen, die trösten und Hoffnung wecken.
Die Strenge, die der Christusteppich von Fritz Griebel zunächst ausstrahlt, bekommt mehr und mehr ein liebevolles Gegengewicht, je länger man ihn betrachtet. Suchen wir selbst für unser Leben und Zusammenleben eine neue Ausrichtung auf den liebenden Christus und unsere Mitmenschen.
Impulse von Gemeindereferent Bernhard Wolf und Pfarrer Thilo Auers
Entwurf von Fritz Griebel, 1957, 170 x 425 cm
Fritz Griebel (1899-1976) hat den Christusteppich 1957 für das FrauenWerk Stein entworfen. Der Anlass war das 25jährige Bestehen des Bayerischen Mütterdienstes. Die Tapisserie wurde in der Nürnberger Gobelin-Manufaktur gewirkt. Der Christusteppich ist wie ein mittelalterliches Triptychon komponiert und verwendet frühchristliche Symboldarstellungen. Er zeigt klare Formen, die zuweilen symbolisch oder abstrakt ausgeführt sind. Fritz Griebel schuf über 30 Entwürfe für Gobelins. Bis Anfang September 2020 ist der Christusteppich in St. Margaretha aufgestellt und ab dem Tag des offenen Denkmals, 13.9.2020, in St. Matthäus. Unsere Kirchengemeinden danken dem FrauenWerk Stein für die Leihgabe und den Kulturfreunden Heroldsberg für die Koordination und die finanzielle Ermöglichung der Ausstellung.