Saransk – Reise vom 11. bis 18. Juni 2014

Am 11. Juni macht sich unsere 10-köpfige Gruppe um 6 Uhr auf die 1200 km lange Reise in Richtung Saransk. Das Wetter ist gut, in unserem Gepäck sind viele Geschenke und auch viel Erwartung.
Wir kommen zügig voran und passieren bei Küstrin die deutsch-polnische Grenze. Dann durchqueren wir in Polen eine Landschaft, von deren Weite und Schönheit wir beeindruckt sind.
In Malbork/Marienburg, das wir nach ca 900 km Fahrt am Abend erreichen, sind Zimmer für uns vorgebucht. Nach einem deftigen polnischen Abendessen in fröhlicher Runde fallen wir müde
in die Betten. Am nächsten Tag besichtigen wir die größte Backsteinfestung Europas, die Marienburg. Ein absolutes Muss bei dieser Reise. Weiter geht es nach Frombork/Frauenburg, gelegen am Frischen Haff. Von dort aus versuchten endlose Flüchtlingstrecks im Winter 1944/45 von Ostpreußen in den Westen zu gelangen; wir erinnern uns beim
Besuch am Hafen an dieses düster-traurige Kapitel unserer Geschichte und gehen dann weiter in Richtung Dom, wo der berühmte Astronom Kopernikus wirkte.Nach kurzer Zeit sind wir am Grenzüber- gang nach Rußland, alles geht überraschend zügig und problemlos. Nun fahren wir durch eine reizvolle Gegend mit üppigen Lupinenfeldern, vielen Herkulesstauden und viel unberührter Natur. Das einstige russische Sperrgebiet ist noch immer dünn besiedelt.
Am Abend erreichen wir unser Quartier bei Nikodemus Redler in Pollesk/Labiau. Wir haben für uns ein Haus allein und fühlen uns bei Nikodemus sehr wohl.
Er hat zwei hervorragende Köchinnen zur Hilfe, die uns während unseres Aufenthalts mit leckerem Frühstück und Abend- essen verwöhnen.

In den nächsten Tagen machen wir sehr viele Besuche. Wir werden überall mit herzlicher Gastfreundschaft empfangen und oft mit Kuchen und Tee bewirtet. Jede Familie erhält ein Geschenk aus Herolds- berg. Wir erleben viel Erfreuliches, aber auch manch nachdenklich Stimmendes.

Beispielhaft wollen wir über einige dieser Besuche berichten:
Besonders nachdenklich stimmt uns der Besuch bei Familie Ernst. Das Ehepaar hat 4 Kinder. Zwei Töchter sind in Deutschland und studieren; das Geld für den Lebensunterhalt müssen sie sich selber verdienen. Mit Unterstützung durch die Eltern können sie nicht rechnen. Die 13-jährige Tochter Elvira hilft der Mutter, wo sie kann; denn da gibt es noch den 8-jährigen behinderten Sohn Damir. Er wird zuhause gepflegt. Zusätzlich zu den 4 eigenen Kindern leben noch 3 Pflegekinder in der Familie. Der kleinen Pflegetochter steht demnächst eine schwierige Operation bevor. Sie hat einen offenen Rachen, der geschlossen werden muss. Auch bei Familie Koslow ist die Situation sehr schwierig: Frau Koslow ist auf den Rollstuhl angewiesen. Am Tag unseres Besuchs ist auch noch der Rollstuhl kaputt gegangen – unter den dortigen Bedingungen ein großes Problem. Herr Koslow ist Dialysepatient und muss inzwischen viermal wöchentlich nach Kaliningrad zur Dialyse. Für die Kosten muss die Familie selber aufkommen, da Herr Koslow über 50 Jahre alt ist.

Erfreuliches erfahren wir bei der Kirchen- vorsteherin Irina Komorowa. Irina und ihr behinderter Sohn Wolodja empfangen uns mit großer Freude. Jeder von uns wird heftig gedrückt und richtig geknuddelt von Wolodja. Irina hat sich zusammen mit ihrem Mann aus einem baufälligen Haus -teilweise mit Spenden aus Heroldsberg – mit viel Liebe ein außerordentlich schmuckes Heim geschaffen. Bemerkenswert ist bei ihr wie bei vielen anderen Familien der schöne Zier- und Nutzgarten.

Sehr positiv waren auch unsere Eindrücke bei der Familie Malikow. Bei unserem Besuch 1996 waren die vier Söhne noch Kinder und Jugendliche, jetzt haben sie ei- gene Familien. Zwei der Brüder heben am Tag unseres Besuchs gerade gemeinsam das Fundament für ihr künftiges Heim aus.

Ganz allgemein lässt sich sagen, dass sich seit 1996 vieles verbessert hat. Sehr konkret erleben wir das z. B. in unserer Unterkunft. Die war vor 18 Jahren noch äußerst bescheiden, jetzt haben wir’s im Hause Redler dagegen recht gemütlich.
Erinnern möchten wir auch daran, dass zu unserer damaligen Besuchergruppe auch noch Rosemarie Sorg und Dorothea Distel gehört haben.
Als Dolmetscherin haben wir bei unseren Besuchen wieder unsere treue, humorvol- le und liebenswürdige Albina (82 Jahre alt) dabei. Für 3 Tage hat sie auch ihre inzwischen verheiratete Enkeltochter Vika mitgebracht, die ebenfalls gut Deutsch spricht. Mit Pastor Michelis sind es zeit- weise 3 Dolmetscher.

Am Montag feiern wir gemeinsam einen Festgottesdienst zum 20-jährigen Bestehen der Kirchengemeinde Saransk in der alten Ordenskirche in Turgenjewo/Legitten. Das grüne Band, das bereits beim Saransk-Gottesdienst in Heroldsberg die Verbindung unserer Gemeinden symbolisiert hat, kommt auch hier beim Abendmahl wieder zum Einsatz. Es war für uns alle ein ergreifender Augenblick. Nach dem Gottesdienst treffen wir uns noch im Gemeindesaal neben der Kirche zum gemeinsamen Mittagessen und Plaudern. Die Gastgeber verwöhnen uns mit vielen Leckereien, die in kürzester Zeit auf den Tischen stehen. Als Dankeschön übergeben wir jeder Familie noch eine Bibel in russischer Sprache und ein Windlicht.

Zur Abwechslung gibt es zwischendurch auch noch touristische Unternehmungen. Ein Teil unserer Gruppe besucht bei sehr schönem Wetter mit Vika die Kurische Nehrung. Wir bekommen in der Vogelwarte Rybatschij/Rossitten eine interessante Führung und besichtigen danach die Wanderdünen. Am letzten Tag zeigt uns Pfarrer Klaus Plorin auch noch seine Geburtsstadt Königsberg. Durch sein breites Wissen erfahren wir sehr viel Interessan- tes. Wir besuchen das Bernsteinmuseum und haben das große Glück, im wunderschönen Dom ein Orgelkonzert genießen zu können.

Viel zu schnell sind die Tage vergangen. Unsere Reise war ein besonderes Erlebnis. Und das haben wir nicht zuletzt Diemut und Klaus Plorin zu verdanken. Sie haben die Reise mit bewundernswertem Einsatz organisiert und durchgeführt. Wir durften erfahren, wie groß ihre Liebe zu diesem Land und den dort lebenden Menschen ist. Auf die Feier zum 20-jährigen Bestehen der Partnerschaft im nächsten Jahr freuen wir uns jetzt schon, wir hoffen einige unserer Freunde in Heroldsberg wieder zu sehen.

Vieles hat sich in den letzten Jahren gebessert, aber unsere Hilfe und finanzielle Unterstützung ist doch nach wie vor notwendig. Medizinische Behandlungen und Medikamente sind sehr teuer, für den Besuch einer Schule oder Hochschule in Kaliningrad fallen hohe (Fahrt-) Kosten an – dies sind nur ein paar Bespiele dafür, wo unsere Hilfe auch weiterhin dringend benötigt wird.

Zum Saransk-Gottesdienst, am 28. September 2014, in dem wir in Wort und Bild über unsere Reise und Begegnungen in der Partnergemeinde berichten, laden wir sie schon heute recht herzlich ein.

Anna Bub, Maria und Hansjörg Bosch