Der Lebendige Adventskalender – Rückblick

November war`s, als eine ungewöhnliche Einladung von Klaus Firnschild-Steuer zu lesen war: „Wer macht bei einem „Lebendigen Adventskalender“ mit?“ Wir Eltern, an die adventliche Termin-Fülle denkend, zögerten. Aber unsere Kinder fanden die Idee, dass an unserem Haus ein Türchen geöffnet werden könnte, einfach gut und erlebenswert. So dauerte es gar nicht lange und die Kinder stritten fantasievoll, welcher Fensterladen sich öffnen würde. Wir Eltern fingen an, nach einer passenden Geschichte zu suchen. Wahrscheinlich hätten wir uns – ohne diese originelle Kalenderidee – keinen Vorleseabend gegönnt! Außerdem traktierten wir die Kinder, zu viert Weihnachtslieder mit den Instrumenten zu üben. Dies ist für gewöhnlich ein Unternehmen, welches den Eltern so einige Nerven kostet. Nun gab es aber ein von Allen angestrebtes Ziel: Am 16. Dezember sollte, wenn unser Fensterladen sich öffnen würde, „Kling Glöckchen“ vierstimmig erklingen.
Inzwischen war es Advent geworden. Mit Freude marschierten wir an manchem Abend kurz vor 18.00 Uhr zu einigen anderen Familien, die gleichfalls von der Idee des Lebendigen Adventskalenders inspiriert waren. Bei Familie Bauer jubelten Blechbläser, bei Familie Dorner hörten wir erstmals Klänge des ungewöhnlichen Instruments „Hang“ tönen und bei Kellners versetzte uns eine amüsante Geschichte in gute Laune. Am 6. Dezember erlebten wir, wie in der verschneiten Sperlingsgasse Nr. 6 mit Geigen- und Kontrabass-Klängen ein Wilke-Fensterchen geöffnet wurde und bei Familie Betz durften wir alle eine Rolle in einer Weihnachtsgeschichte übernehmen.
Unser Gastschüler, ein 12-jähriger Franzose, war besonders entzückt von dieser Art, den Advent zu erleben: „Hier ist Advent besonders!“ Er hatte recht. Es war ein friedvolles Gefühl, für ein Weilchen mit Anderen in der Dunkelheit zusammen zu stehen, Kerzenlicht zu sehen, Worte und Musik zu hören, zu singen, Gebäck und einen warmen Tee zu genießen und zu spüren, dass jeder auf seine Weise die Gäste vor der Tür mit Liebeswürdigkeit empfing. In Anbetracht der mit Glitzer überschmückten Einkaufsläden und der bedeutungslos dudelnden Weihnachtslieder erfüllten diese Momente vor einer Haustür die Sehnsucht nach Advent, der anders, der ursprünglicher ist.
Dann endlich der 16. Dezember. Es war ein matschiger trüber Dezembertag. Aber welche Vorfreude im Haus! Unablässig fragten die kleinen Mädchen, wie lange es noch dauert. Sie sollen nicht so nerven, mahnten die Jungs, die ihrerseits ruhelos alle findbaren Laternen und Kerzen im Vorgarten stationierten. Um 17.30 Uhr erlaubten wir, diese anzuzünden. Der Fensterladen vor dem Kinderzimmer wurde geschlossen und die Kinder malten eine große 16 darauf. Dies hatte den Nachteil, dass man nun nicht mehr nach außen sehen konnte, ob wirklich jemand kommt. Also flitzte die aufgeregte neugierige Schar zu den Dachfenstern. Dabei war nicht zu überhören, wenn ein Mensch sich unserem Haus näherte! 18.00 Uhr, alle Kinder waren im Zimmer mit dem geschlossenen Fensterladen und hatten ihr Instrument spielbereit in der Hand. Der Papa ging vor die Tür und öffnete den Laden, „Kling Glöckchen“ erklang und dann begrüßten wir mit einem „Herzlich Willkommen!“ unsere Adventskalender-Gäste. Die Worte waren noch nicht verklungen, da löste sich vom Dach eine Schneelawine und polterte wie ein inszeniertes Ausrufezeichen auf die Büsche vorm Haus. Der Rest ist flink erzählt. Nach einer Geschichte stimmten viele in die aus dem Kinderzimmer klingenden Weihnachtslieder mit ein. Unser Sohn las einen Segen und dann patschten die Kinder durch die Schimmelleiten-Pfützen und boten Stollen und warme Getränke an. So standen wir am dritten Advent ein verregnetes Viertelstündchen mit herzlichen Menschen vor der Haustür. Das war ungewöhnlich wohltuend und ganz besonders.
Agnes Paetzold