20 Jahre Partner von Saransk

In diesem Sommer besteht unsere Partnerschaft mit der evang.-lutherischen Kirchengemeinde Saransk im russischen Kaliningrad-Gebiet 20 Jahre. Da ist es wohl angemessen, einmal dankbar auf viele Partnerschaftsaktivitäten vieler Heroldsberger in all diesen Jahren im Überblick zurückzuschauen.

Vorgeschichte
Nach dem 2. Weltkrieg annektierte die Sowjetunion den nördlichen Teil der früheren deutschen Provinz Ostpreußen mit seiner Hauptstadt Königsberg, vertrieb die deutschen Bewohner bis 1948 und besiedelte das Gebiet neu mit Menschen aus vielen Teilrepubliken. Jahrzehntelang blieb das Kaliningrader Gebiet eine unzugängliche militärische Sperrzone. Als der letzte Generalsekretär der KPDSU, Michail Gorbatschow, 1991 das Gebiet auch für Touristen öffnete, besuchte ich mit meiner Frau erstmals wieder meine frühere Heimat, und wir erschraken über die wirtschaftliche Not vieler Russen im Gebiet. In Heroldsberg berichteten wir in Diavorträgen über unsere Eindrücke. Bei einer Gemeinde-Busreise nach Kaliningrad 1994 brachten wir einiges an humanitärer Hilfe in die neu gegründete evangelische Gemeinde sowie Spielsachen und Süßigkeiten in einen armseligen Kindergarten im früheren Dorf meiner Oma. Unsere Busgesellschaft machte danach den Vorschlag einer Patenschaft für diesen Kindergarten; wir sollten die Vermittler sein.

Erste Kontakte 1995
So bekamen wir 1995 bei unserer Reise 1000 DM und unser Auto voller Sachspenden und Bettwäsche für den Kindergarten mit. Doch den gab es nicht mehr, weil die Kolchose gerade aufgelöst war. Da fragten wir Propst Beyer in Kaliningrad nach sinnvoller Verwendung der Spenden. Die seit einem Jahr neu gegründeten Landgemeinden bräuchten am dringendsten Hilfe, sagte er uns und zeigte eine Gemeindeliste. Als ich mich für Saransk entschied, lud Propst Beyer uns zum Gottesdienst in der Kirche Saransk am nächsten Tag um 14.00 Uhr ein. Nach dem Gottesdienst waren wir mit dem Propstehepaar und Gemeindeleiterin Lisa Selenko bei Familie Pachomow und Verwandten in deren kleiner Wohnung in dem weit entfernten Dorf Bogatowo zum Essen eingeladen. So lernten wir Gemeindeglieder und besonders die sympathische, mütterliche Lisa Selenko etwas kennen. Mein Angebot einer Gemeindepartnerschaft, vorbehaltlich des Beschlusses unseres Kirchenvorstands, nahm sie freudig an. Die meist aus Kasachstan fliehenden russlanddeutschen Gemeindeglieder kämen oft nur mit Rucksäcken und Koffern hier an und könnten sich in sehr schwieriger wirtschaftlicher Lage nur mühsam eine neue Existenz aufbauen. Jede Hilfe werde deshalb dankbar angenommen. Da gaben wir ihr die 1000 DM und die weiteren Hilfsgüter als unsere „Morgengabe“ beginnender Partnerschaft zur Weitergabe in der Gemeinde. Propst Beyer sagte uns noch, dass gerade auch die Gemeinde Warin in Mecklenburg Hilfe für Saransk angeboten habe, obwohl sie selbst eigene Probleme habe; wir sollten doch bitte auch mit dieser Kontakt aufnehmen.

Viel(e) „Freu(n)de für Saransk“
Nach unserer Rückkehr stimmte der Kirchenvorstand der Partnerschaft zu. Als dies in Abkündigungen und im Gemeindebrief bekannt gemacht wurde, waren sofort viele Gemeindeglieder, besonders aus den Reihen der Reiseteilnehmer von 1994, zur Hilfe für Saransk bereit. Sie spendeten und veranstalteten einen großen Flohmarkt, der weiteres Geld für das Gabenkonto Saransk einbrachte. Herr Schlegel malte das Schild „Freu(n)de für Saransk“, was nun zum Motto der Partnerschaft wurde.

Zu Gesprächen über unsere Zusammenarbeit kamen aus dem Städtchen Warin Ehepaar Kaiser und der Bürgermeister. Bald darauf erwiderten Rosemarie Sorg, meine Frau und ich den Besuch in Warin.
Wir lernten dabei deren Pastor, mehrere wichtige Mitarbeiter und auch Vertreter der Wariner Partner aus Holland kennen und vereinbarten einen gemeinsamen Saransk-Besuch für 1996.

Erste Saransk-Reisegruppe 1996
Rosemarie Sorg und Dorothea Distel fuhren mit einem geliehenen Wohnmobil, Hansjörg Bosch, sein gerade konfirmierter Sohn Andreas, meine Frau und ich in einem alten VW-Campingbus. Beide Wagen beluden wir bis zur Belastungsgrenze mit gespendeten Hilfsgütern, Nähmaschinen, Stoffen, gebrauchter Kleidung, Küchenzubehör, Wolldecken, deutsch-russischen Bibeln, Taufkerzen und auf dem Dach mit 4 Fahrrädern. Am dritten Reisetag erreichten wir unser Quartier in einem alten Forsthaus mitten im Wald am Rand unserer Partnergemeinde, wo dann auch 15 Leute aus Warin und Vlagdvedde sowie unsere Dolmetscherin Albina Beliaewa eintrafen. Mit Lisa Selenko und in Diskussionen mit der anderen Gruppe klärten wir das weitere Programm, bevor wir in kleinen Gruppen Besuche bei Familien begannen. Dabei versuchten wir deren familiäre, wohnungsmäßige und berufliche Situation zu erkennen, um je nach Bedarf Hilfsgüter und finanzielle Unterstützungen zu verteilen. Mehrmals erklärte Dorothea Distel mit Albinas Hilfe den Gebrauch der Nähmaschinen.
(Fortsetzung folgt)
Klaus Plorin