Im letzten einBlick haben wir versucht zu zeigen, was Toleranz in der Biblischen Tradition bedeuten kann: dass wir uns als Menschen mit unterschiedlichsten Orientierungen gegenseitig tragen und manchmal eben auch ertragen.
Die Reformatoren versuchten, sich ihre Meinung nach der biblischen Überlieferung zu bilden und zu begründen. Wie tolerant waren eigentlich die Reformatoren?
Auf der Internetseite unserer Landeskirche zur Lutherdekade
(www.luther2013-bayern.de)
finden wir folgenden Text:
„Die reformatorischen Bewegungen zielten nicht in erster Linie auf Toleranz ab. Reformation bedeutete: Die Exklusivität des eigenen Weges deutlich zu betonen, denn nur dieser würde letztlich das Heil versprechen. Rechtfertigung durch Glauben, das Wissen um die Gnade Gottes und eine ausgeprägte Christozentrik sollten die Reform der katholischen Kirche ermöglichen – und führten auf diesem Weg zur Etablierung einer eigenen Konfession, die ihren Schutz in politischen Würdenträgern fand. Auf dieser Ebene war keine Toleranz vorgesehen, wie Forderungen und Setzungen im Bauernkrieg (1524/25) und später gegenüber dem Judentum deutlich machen.
Entsprechend vehement forderten gerade diejenigen Denominationen und Gruppen Toleranz beider Konfessionen, die auch nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 im „Alten Reich” nicht anerkannt waren und bisweilen unter starker Verfolgung litten: Reformierte, Mennoniten, Spiritualisten und weitere lokale Gruppen, die als „Ketzer” und „Häretiker” gebrandmarkt wurden.
Die Entdeckung des Anderen und damit auch die gegenseitige Toleranz ereigneten sich im Reformationszeitalter zuallererst in der persönlichen Begegnung, etwa in Religionsgesprächen. Wenn Phillip Melanchthon mit seinem Widerpart Johannes Eck 1540 zu einer freundlichen Einigung in der Frage der Erbsünde kam, dann ist dies ein Ausdruck der gegenseitigen Anerkennung und des Erkennen des Anderen.
Wegweisend für das Jahr „Reformation und Toleranz” sind also einerseits die Momente, in denen der Reichtum des Anderen entdeckt wurde; andererseits zählt es auch zum Erbe der Reformation, wo Toleranz gescheitert ist – und deshalb in der Gegenwart die Aufgabe besteht, das Eigene zu hinterfragen und ausgehend vom reformatorischen Fundament die Öffnung zum Anderen zu wagen.“
„Den Reichtum des anderen entdecken“ – das versuchen wir als Kirchengemeinde in diesem Jahr mit unterschiedlichen Angeboten und Veranstaltungen.